Von muslimischen Machos und weißen Mädchen

Zunächst will ich mich entschuldigen, weil ich das Wort „weiß“ verwende. Ich lehne die Identitätspolitik und die damit einhergehenden Kategorien zutiefst ab. Tatsächlich denke ich, dass diese vermeintlich progressive Neuerscheinung im Grunde eine zutiefst reaktionäre Idee wiederbeleben will: Und zwar die Loyalität entlang von Ethnie, Hautfarbe, Religion oder Geschlecht. Aber eingedenk der Ereignisse ist es (leider) dennoch ein treffender Begriff.

Bevor sie hier weiterlesen, lesen sie doch am besten meinen Beitrag über den migrantischen „Minderwertigkeitskomplex“ nach, weil ich die grundlegenden Gedanken, die ich darin geäußert habe, im Licht der Tragödie um ein 12-Jähriges Mädchen konkretisieren werde.

Falls es nicht klar sein sollte, erwähne ich gerne, dass ich selbst das Kind türkischer Gastarbeiter bin, ein muslimischer, wenn auch stark säkular geprägter Europäer. Doch in meiner Jugend waren viele Dinge, über die ich heutzutage scheinbar „locker“ schreibe, schmerzhaft und ich selbst war einer dieser Migranten, über die man – durchaus zurecht – die Nase rümpft. Will sagen: Alles, was ich hier schreibe, schöpft aus meinen eigenen Erfahrungen, Niederlagen, aber auch Lehren.

Naivität weißer Mädchen

Wenn ich an jene Mädchen zurückdenke, die sich damals fast schon in einer magnetischen Anziehung auf migrantische Machos gestürzt hatten, fällt mir auf, dass sie sich in einer Sache sehr ähnlich waren. Sie waren naiv. Für sie war das Flirten mit „Bad Boys“ auch eine Form von Rebellion gegenüber Eltern und Umfeld. So banal und normal solche jugendlichen Rebellionen auch sein mögen, war ihnen die Tragweite ihrer „harmlosen Flirts“ nie bewusst. Bis es zu spät war.

Denn die migrantischen (in meinem Fall mehrheitlich türkische und ex-jugoslawische) Machos sahen ihn ihnen nicht nur die heranreifenden Frauen, die sie waren. Für sie waren diese Mädchen auch eine Projektionsfläche für all ihre Minderwertigkeitskomplexe, Ängste, Machtfantasien und „Abrechnungen“ mit der Mehrheitsgesellschaft. Oder um es einfacher zu sagen: Sie begehrten diese Mädchen, und dennoch hassten sie sie auch. Daher waren diese „Beziehungen“, wenn man sie denn so nennen will, vor allem von Gewalt, Nötigung und emotionalem Missbrauch geprägt.

Ich erinnere mich an eines dieser „Pärchen“. Einer meiner damaligen „Freunde“ begann plötzlich seine weiße Freundin zu schlagen. Es waren wilde Faustschläge, anschließend erbarmungslose Tritte, als sie zu Boden gefallen war. Sie waren schon lange zusammen und das Mädchen war zu diesem Zeitpunkt schwanger (wenn mich meine Erinnerung nicht trügt). Das hielt meinen „Freund“ nicht ab. Immer wieder schrie er: „Du scheiss Österreicherin“. Diese Szene werde ich nie vergessen können. Doch auch dieser Satz hat sich in mein Gedächtnis gebrannt. Warum wollte er sie unbedingt als „Österreicherin“ beleidigen? Sie kennen meine These: Sie war die Projektionsfläche für seinen Hass auf alles, was er als Grund für seine Probleme sah: Österreich. Die Gesellschaft. Doch sie selbst war tatsächlich nur ein armes, naives Mädchen, das geliebt werden wollte. Ich kannte sie noch aus Kindheitstagen; sie ist ein liebes, lebensfrohes Kind gewesen.

An einem anderen Abend saßen wir in einem Park und tranken Wodka. Plötzlich rief uns der „Freund“, der mit seiner (weißen) Freundin gerade hinter einem Denkmal verschwunden war. Wir waren neugierig und suchten das Pärchen auf. Das Mädchen hatte ein Butterfly Messer am Hals, das ihr unser „Freund“ grinsend an die Kehle hielt. Er hatte seine freie Hand in ihrer Hose und befriedigte sie. Sie kämpfte mit den Tränen, während er sich schelmisch über ihre Erniedrigung zu freuen schien. Als er von ihr abgelassen hatte, meinte er noch (aus meiner Erinnerung) zu uns: „Die musst du so behandeln, das mögen sie.“

Und um es vorweg zu nehmen und auch ehrlich mit den Lesern dieser Zeilen umzugehen: Nein, ich bin nicht der Held in diesen Geschichten, der einschreitet, ermahnt oder sogar konfrontiert. Ich war jung, rückgratlos und feige. Als ich dank der Hingabe meiner Eltern doch noch die Möglichkeit bekam zu studieren, verließ ich diesen Morast und begrub meine Erfahrungen und Erlebnisse so tief es nur ging. Doch wenn ich an das Martyrium der 12-Jährigen in Wien denke, dann kommen diese Dinge natürlich wieder hoch. Vielleicht helfen meine Erfahrungen ja, dass wir zumindest das eigentliche Problem erfassen.

Super-Predatoren

Jene migrantischen Machos, von denen ich spreche und an die ich denke, sind (damals wie heute hat es den Anschein) weder dumm, Opfer ihrer Lebensumstände oder nur mit einer Brise Barmherzigkeit zu läutern. Sie sind berechnend, manipulativ und sehen sich selbst als Wölfe unter Schafen. Was sie allerdings selbst nicht verstehen oder noch nicht einmal erahnen, ist, warum sie diese Wut auf „weiße“ Frauen haben. Doch das spielt keine Rolle mehr, wenn sie eben missbrauchen, vergewaltigen, traumatisieren.

Ich sage nicht, dass jedwede Form von Prävention, Streetwork oder Wertekursen per se nutzlos ist. Auch wenn meine persönlichen Erfahrungen mit Streetworkern als Jugendlicher bzw. meine beruflichen Erfahrungen mit Prävention (auch De-Radikalisierung im islamistischen Kontext btw) eher ernüchternd sind, will ich vor allem darauf verweisen, dass man gegen diese Form von „Super-Predatoren“ andere Werkzeuge brauchen wird.

Gerade weil wir nicht vergessen dürfen, wer im Mittelpunkt unserer Sorgen sein muss: Jene jungen Frauen, die vielleicht aus Naivität heraus, an falsche Männer geraten sind, aber deswegen nicht als Wegwerfware behandelt werden dürfen. Sie wollten lieben und geliebt werden. Doch diese jungen Männern zeichnen sie für ihr ganzes Leben. Daher haben wir als Gesellschaft dafür zu sorgen, das Opferschutz und vor allem die fortwährende therapeutische Behandlung dieser Opfer niemals in Frage stehen darf.

Post Scriptum: Ich weiß, viele wollen das nicht lesen. Migrantische Aktivisten, aber auch weiße, akademische Feministinnen werden (zum jetzigen Zeitpunkt brodelt auf Twitter gerade so einiges, Anm.) am wildesten wüten und toben. Auch gegen meine Person. Das macht mir nichts. Aber dennoch will ich diesen Kreisen eine Frage stellen: Warum seid ihr bereit, das Leid anderer in Kauf zu nehmen, nur um euch nicht aus eurer emotionalen/weltanschaulichen Wohlfühlecke herauswagen zu müssen?

In diesem Sinne,
RTA

5 Gedanken zu “Von muslimischen Machos und weißen Mädchen

  1. Sehr geehrter Herr Rusen Timur Aksak

    Meine Beobachtungen in der Theaterarbeit mit jungen türksichstämmigen Burschen führt mich zu einer Vermutung eines zweiten, nicht unwesentlichen Grundes für die Verachtung der „weißen“ Mädchen. Weil für diese Burschen einer der wenigen Bereiche, in dem sie selber mächtig sind und einmal über andere bestimmen dürfen, die Moral und Sittlichkeit ihrer Schwestern und muslimischen Mitschülerinnen ist, gerieren viele sich eben als Hüter über deren Anstand. Gleichzeititg sind sie junge Männer, die Sex wollen, Trieb verspüren, aber auch Sehnsucht nach Zärtlichkeit haben, nach Liebe. Sie sind also in einem argen Double Bind: Einerseits sehnen sie sich nach Liebe, andererseits sind Frauen, die unverheiratet Sex mit Männern haben, alles dreckige Schlampen. Sie müssen also die Mädchen, die mit ihnen schlafen, verachten. Sie dürfen sich nicht eingestehen, dass es schön und ok sein könnte, es einfach fein mit einem Mädchen zu haben. Denn dann müssten sie ja auch die Herrschaft über den Anstand der eigenen Schwester/Glaubensgenossin aufgeben. Ich vermute, dass die Verachtung und die Gewalt gegen die „weißen“ Mädchen oft ein Mechanismus ist, den Hass auf diese unbequeme Situation und den Neid auf nicht muslimischen Altersgenossen, – nicht nur auf respektvolle Beziehungen führende Österreicher, sondern auch auf Migranten aus nicht so sexuell und erotisch total verklemmten Weltgegenden, auf liebevolle Latinos und zärtliche Filipinos – zu externalisieren und an der schwächsten Person in diesem ganzen Szenario auszuagieren: dem Mädchen, das ihnen Liebe geboten hat.

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    • ich kann nicht widersprechen, das ist sehr wohl eine wichtige Ebene.
      Die problematische Sexualmoral gepaart mit der patriarchalen Vorgabe die Sexualität der weiblichen Verwandten kontrollieren zu wollen, ergibt ein diffuses, toxisches Gebräu, das am Ende dazu führt, das man die „weißen Mädchen“ dafür hasst, was man im Grunde selbst begehrt.

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  2. Sehr geehrter Herr Rusen Timur Aksak

    Meine Beobachtungen in derbeit mit jungen türkischstämmigen Burschen führt mich zu einer Vermutung eines zweiten, nicht unwesentlichen Grundes für die Verachtung der „weißen“ Mädchen. Weil für diese Burschen einer der wenigen Bereiche, in dem sie selber mächtig sind und einmal über andere bestimmen dürfen, die Moral und Sittlichkeit ihrer Schwestern und muslimischen Mitschülerinnen ist, gerieren viele sich eben als Hüter über deren Anstand. Gleichzeitig sind sie junge Männer, die Sex wollen, Trieb verspüren, aber auch Sehnsucht nach Zärtlichkeit haben, nach Liebe. Sie sind also in einem argen Double Bind: Einerseits sehnen sie sich nach Liebe, andererseits sind Frauen, die unverheiratet Sex mit Männern haben, dreckige Schlampen. Sie müssen also die Mädchen, die mit ihnen schlafen, verachten. Sie dürfen sich nicht eingestehen, dass es schön und ok sein könnte, es einfach fein mit einem Mädchen zu haben. Denn dann müssten sie ja auch die Herrschaft über den Anstand der eigenen Schwester/Glaubensgenossin aufgeben. Ich vermute, dass die Verachtung und die Gewalt gegen die „weißen“ Mädchen oft ein Mechanismus ist, den Hass auf diese unbequeme Situation und den Neid auf nicht muslimischen Altersgenossen, – nicht nur auf respektvolle Beziehungen führende Österreicher, sondern auch auf Migranten aus nicht so sexuell und erotisch total verklemmten Weltgegenden, auf liebevolle Latinos und zärtliche Filipinos – zu externalisieren und an der schwächsten Person in diesem ganzen Szenario auszuagieren: dem Mädchen, das ihnen mit Liebe und Lust begegnet ist.

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  3. Lieber Herr Aksak,

    ich beschäftige mich seit mehr als zehn Jahren mit der Problematik der Unvereinbarkeit zwischen unserem generellen mindset und jenem der Zuwanderer aus patriarchal-muslimischen Kulturkreisen. Ich halte dieses Konfliktfeld für eines der bedrohlichsten für unsere liberale Gesellschaft und habe deshalb auch den Koran (aber auch etwa die Bücher von Abdel-Samad) zu weiten Teilen gelesen, um die Mechanismen besser zu verstehen. Mein Fazit ist, dass hier zwei Gifte – Islam und extremes Patriarchat – zusammenwirken, so wie das in abgeschwächter Form auch in vergangenen Epochen des Christentums war. Die Tendenz zum Patriarchat (also zur Gewaltherrschaft) gibt es im Menschen immer und man muss die diesbezügliche Vernunft und Moral wohl in jeder Generation neu verankern. Das ist selbst in einer bereits liberalen Gesellschaft eine stete Herausforderung. Wenn aber die Religion eine derart starke Legitimation für patriarchales Denken bereitstellt, dann ist die Gesellschaft als Ganzes chancenlos. Das erklärt zu einem Teil die Situation der islamischen Welt, es erklärt aber auch zerstörerische Exzesse wie jene an minderjährigen, unreifen Mädchen.

    Warum ich schreibe: Menschen wie Sie sind sehr wichtig, auch wenn Sie wahrscheinlich in Ihrer (Ex-)community wenig bewirken können. Aber der (noch) Mehrheitsgesellschaft können Sie zeigen, dass der in weiten Teilen der islamisch geprägten Gesellschaft grassierende Irrsinn kein unausweichliches Schicksal ist. Das gibt zumindest ein wenig Hoffnung.

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    • ad Gifte)
      sagen wir nicht Islam per se, sondern dieses politisierte, pervertierte Etwas, das in unseren Breitengraden unter „Islam“ firmiert. Mein Ideal ist die Religiosität meiner Großeltern – dezidiert unpolitisch und auf Barmherzigkeit ausgelegt.

      ad sexuelle Übergriffe)
      halte unterdrückte Sexualität für eine Hauptursache, wenn es um derlei Exzesse geht. Siehe auch Katholische Kirche und Zölibat.

      Vielen Dank für ihre wärmenden Worte,
      unser gemeinsamer Feind sind jene, die unsere liberale Gesellschaft ablehnen.

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