Jedem Ende wohnt ein Zauber inne.
Am Ende des Jahres werde ich die Glaubensgemeinschaft verlassen und zwar im Guten. Als ich damals das Angebot bekam, Pressesprecher der IGGÖ zu werden, habe ich angenommen, aber nur unter der Bedingung, dass ich es ein Jahr lang mache und es anschließend in würdigere Hände übergebe.
Nun ist es so weit. Mein Job ist getan.
Wie ihr wisst, war ich zuvor lange Jahre Journalist und habe oft zum Thema Islam in Österreich geschrieben. Nicht jeder mochte, was ich zu schreiben hatte, aber ich tat es mit großer Leidenschaft. Daher war es für mich besonders lehrreich die IGGÖ und den Islam in Österreich quasi von „innen“ kennen zulernen. Als Journalist habe ich viel geschrieben und im letzten Jahr als Pressesprecher hatte ich das Glück, das Geschriebene und Gemeinte auch wirklich überprüfen zu können.
Die Wahrheit ist: Ich habe sehr viel gelernt. Und ich glaube, jeder ernsthafte Journalist ist auch dankbar, wenn er dazulernen
kann und darf. Dieses Glück war mir beschieden.
Dafür ein Dank.
Viele Bekannte und Freunde haben es nicht glauben können, dass ich tatsächlich den Job als IGGÖ-Pressesprecher angenommen hatte. Einige schienen sogar vom Umstand überrascht zu sein, dass ich Muslim bin. (Ja, eh nicht der Frömmste, aber das ist ja kein Wettrennen, bitte.)
Daher wurde ich im letzten Jahr immer wieder gefragt, warum ich das denn mache. Und die Wahrheit ist: Ich bin beunruhigt.
Die Islamfeindlichkeit hat ein Ausmaß und eine Intensität erreicht, dabei alle Lebensbereiche durchdringend eine finstere Strahlkraft bekommen, dass man nur beunruhigt sein kann. Selbst als Spross einer säkular-republikanischen Familie war ich beunruhigt. Seit längerem. Daher bot sich mir die Gelegenheit etwas gegen meine Beunruhigung zu unternehmen. Durch harte Arbeit und mit einem klaren Ziel: Die IGGÖ als Institution – auch in der öffentlichen Debatte – zu einem ernst zunehmenden Akteur zu machen.
Denn so wie es in den letzten Jahren gelaufen war, durfte es nicht mehr sein:
Dort, wo Imame schwiegen, sprachen „Islamexperten“.
Dort, wo IGGÖ-Präsidenten schwiegen, sprachen Politiker.
Dort, wo von Rassismus betroffene Muslime schwiegen, sprachen andere ihnen die Betroffenheit ab.
Ja.
Jede öffentliche Debatte ist riskant, aber angst-getriebenes Schweigen in der öffentlichen Debatte ist immer die falsche Option.
Ich will mir am Ende dieser Reise einreden, dass ich einen kleinen Beitrag leisten konnte, damit dieses Schweigen aufgebrochen, die IGGÖ mehr und stärker in der öffentlichen Debatte wahrgenommen wurde und ein Fundament gelegt werden konnte, dass meine Nachfolgerin weiter festigen wird können.
Ihr habe richtig gehört, mir wird eine Kollegin nachfolgen und das macht mich froh. Wenn ich etwa zurückdenke, dass bei der ersten Pressekonferenz nach der Wahl des neuen Präsidenten
nur Männer vonseiten der IGGÖ zusammengekommen waren, durfte man sich nicht wundern, dass das Bild des Islam in Österreich ein streitbares ist. Der Präsident hatte damals Besserung versprochen. Das wird noch Zeit brauchen, aber mit meinem Ausscheiden wird in der IGGÖ-Zentrale Geschlechterparität herrschen. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer für uns muslimische Männer.
Auch wenn es ein weiter Weg noch ist, so ist es ein wichtiges Signal, wenn in der Herzkammer der Glaubensgemeinschaft Frauen in Verantwortung stehen und uns daran erinnern,
dass der Islam eben keine Religion von Männern für Männer ist.
Schwer wiegt die Last der Verantwortung. Gerade in der Funktion als PressesprecherIn der IGGÖ. Daher wünsche ich meiner Nachfolgerin Valerie nur das Beste.
Am Ende will ich mit Khalils Gibran „Der Totengräber“ schließen:
„Als ich einst eine meiner toten Seelen begrub, trat der Totengräber zu mir und sagte: Von allen die hier ihre Toten begraben, mag ich nur dich.
Ich sagte: Du schmeichelst mir außerordentlich. Doch warum magst du mich?
Da antwortete er: Die anderen kommen wehklagend und gehen wehklagend. Nur du kommst lachend und gehst wieder lachend.“
In diesem Sinne:
Pfiat Gott.